Ich habe schon lange nichts mehr von mir hören lassen, Asche auf mein Haupt. Hier Al Hudaydah arbeite ich einem kleinen Krankenhaus direkt an der Frontlinie. Vom Krieg merkt man hier zur Zeit nicht so viel, gekämpft wird nicht aktiv. Die Arbeit in der Traumachirurgie umfasst v.a. offen Verletzungen der Füße und der Unterschenkel, da hier alle in Schlappen und gerne zu dritt oder viert und ohne Licht Motorrad fahren. So habe ich habe mal mehr, mal weniger zu tun. Es ist natürlich anstrengend, weil ich ja schon lange keine Knochenchirurgie mehr betrieben habe und dann sind die Resourcen hier schon sehr knapp: also meine Handschuhgröße gab es genau einen Tag lang. Nun gut, geht alles. Tatsächlich sind alle andere Dinge wie in jedem Kankenhaus: manche arbeiten gut und sind engagiert, andere nicht. Die Menschen ähneln sich doch irgendwie, egal welcher Religion oder auch nicht sie angehören.
Nicht gewöhnen kann ich mich an die hießige Unterdrückung der Frauen, und das geht jeden Tag an mich heran, weil alle Frauen komplett verschleiert und in schwarz herumlaufen (Nikab und Abaja).
Zur politischen Situation: im Gegensatz zu dem Artikel in der Jungle World, den ich gestern gelesen habe, sehe ich den Einfluss des Iran hier als eher gering. Hingegen könnten die Saudis ohne westliche, v.a. USA und UK-Hilfe noch nicht einmal einen Flieger in die Luft bringen. nicht besonders.
Es ist eher so, dass die Huthis hier gerne die Bevölkerung (aber v.a. auf dem Land) etwas terrorisieren: die Familien müssen in der Regel einen Sohn zum Militär geben. Wenn das nicht geschieht, dann wird schon auch mal jemand aus der Familie erschossen. Die Bevölkerung wird gerne und bewußt dumm gehalten. Dazu gehört auch die religiöse Radikalisierung, die bewußt geschürt wird.
Bezüglich der Gruppen, die da gegeneinander kämpfen, kennen sich auch die Yemenis nicht mehr aus. Es gibt ja auch Al Quida und den Islamischen Staat hier, die jeweils ganz kleine Gebiete im Süden kontrollieren. Ansonsten gibt es v.a. im Süden unterschiedliche Gruppen, die mal miteinander, dann gegeneinander, mal mit den VAE, mal mit den Saudis kooperieren.
Heute zum Beispiel war eine Demo in Aden, da haben die einfach mal den Präsidentenpalast gestürmt. recht einfach möglich: die VAE Soldaten standen draussen und waren verbündet mit den Demonstranten, haben sie also einfach reingelassen. Innen waren ein paar Suadi-Soldaten, die sich lieber nicht gewehrt haben. So ist das.
Viel schlimmer aber ist die Geschichte aus Sana'a: viele Somalier*innen und Eriträer*innen versuchen über das Rote Meer und den Jemen nach Saudi Arabien zu kommen. Das ist ein Problem, und die Huthis wollen sie nicht und möglichst schnell wieder loswerden. Als die Raketen auf Sana'a gefallen sind, ist komischerweise auch eine Flüchtlingsunterkunft in Brand geraten. erst einige Tage später kam heraus, dass die Huthi-Wachen die Flüchtlinge angegriffen haben, die sich auch ein bisschen gewehrt haben, dann "geriet das Gebäude in Brand" und wahrscheinlich sind 100-300 Flüchtlinge verbrannt. V.a. haben die Huthis am Anfang so getan, als wäre das von der Bombardierung gekommen
Also die Huthis sind schon Arschlöcher, keine Frage. Man darf aber auch nicht vergessen, dass 2/3 der Bevölkerung im Huthi-Gebiet lebt und letztlich die Huthis für diese Menschen die "Regierung", vielleicht besser die Verwaltung und Beherrscher darstellen.
Ansonsten ist er hier in Al Hudaydah recht ruhig, die nächtlichen Granatwerfer-Abschüsse stören mich kaum mehr. Kriegsverletzte haben wir noch keine versorgt....
Auch ganz nett, erfahren wir in Deutschland natürlich nicht:
https://www.msn.com/en-za/news/other/mps-flay-denel-for-supplying-weapons-in-yemen-conflict/ar-BB1erToq?item=flights%3aprg-enterpriseblended-t%2c1s-ent-microsoft+

Gregor | 16.03.21 15:25 | 0 comments
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